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Christliche Meditation – wie geht das?

Die Begriffe Kontemplation und Meditation führen immer wieder zu Verwirrung. Manchmal ist mit Meditation auch Kontemplation gemeint. Im christlichen Kontext (Lectio Divina) bezieht sich Meditation meist auf die aktive Betrachtung eines Themas oder eines Textes. Man taucht in einen Text ein und achtet darauf, was bei einem anklingt, was einen berührt oder Widerstand auslöst. Mit diesen Eindrücken verweilt man in der Stille und verkostet sie von innen her. Daraus entwickelt sich ein betendes Gespräch mit Gott. Beim kontemplativen Gebet gibt es hingegen kein Thema und keinen Text. Man versucht vollkommen leer zu werden und nicht aktiv Gedanken nachzugehen.

Dieser Blog beschreibt einen möglichen Ablauf einer Meditationszeit. Die notwendige Zeit beträgt ca. 30 Minuten.

1. Einen bewussten Anfang setzen

Es ist hilfreich, einen festen Ort für die Meditation zu haben. Diesen Ort kann man liebevoll einrichten, sodass man sich dort wohlfühlt. Man sollte möglichst ungestört sein. Als Erstes begebe ich mich also an «meinen Ort» und mache mir bewusst: «Ich habe Zeit». Ich bin da vor Gott, er wartet auf mich. Eventuell beginne ich mit dem Anzünden einer Kerze, einem, Kreuzzeichen oder einer Verneigung.

2. Durch ein Gebet auf Gott ausrichten

Ich bete ein kurzes Vorbereitungsgebet, entweder frei oder ein ausgesuchtes Gebet, das ich auswendig beten kann. Hier drei Vorschläge für Vorbereitungsgebete:

Gott, gib mir Ohren, Dich zu hören.
Gott, gib mir Augen, Dich zu erkennen
und ein Herz, Dein Wort zu verstehn.
Dein Wort gestalte mein Leben.
Säe es reich auf den Acker meines Alltags.
Lass es in meinem Herzen wurzeln und Frucht bringen.

nach Kyrilla Schweitzer

Mich loslassen und in dein Herz fallen.
Vertrauen und mein Leben auf dich setzen.
Auf Jesus schauen und mich nach ihm richten.
Ins Dunkle gehen und mit dir rechnen.
Das will ich mein Gott und mein Alles.

nach Anton Rotzetter

Schweigen möchte ich, Herr, und auf dich warten.
Ich möchte schweigen, damit ich unter den vielen Stimmen die deine erkenne.
Ich möchte schweigen und darüber staunen, dass du für mich ein Wort hast.

Jörg Zink

3. Im Hier und Jetzt ankommen

Ich beobachte meine Stimmung, meine Gedanken, mein körperliches Befinden. Diese Dinge versuche ich loszulassen, denn sie lenken mich ab. Ich komme im Hier und Jetzt an. Ich nehme mich wahr in und mit meinem Körper. Das bewusste Wahrnehmen meines Atems hilft mir dabei. Ich binde während 3-5 Minuten meinen Atem z.B. an diese Worte:

Beim EinatmenBeim Ausatmen
Du in mir……ich in Dir
Jesus……Christus
Ich werde getragen……ich lasse mich tragen

4. Einen Text lesen

Jetzt wende ich mich dem Text oder Impuls zu, den ich meditieren möchte. Ich lasse mir Zeit und lese den Text zwei- bis dreimal, wenn möglich laut. In Gruppen soll eine Person den Text lesen und die anderen schliessen die Augen, damit sie sich besser auf den Text einlassen können.

Mit allen Sinnen tauche ich in die Szene ein. Wie sieht der Ort aus? Sehe ich die Personen vor mir? Kann ich mich mit einer der Personen identifizieren oder schaue ich von aussen zu? Gibt es Geräusche oder Gerüche? Spürt man das Wetter, vielleicht die Sonne oder Wind?

Ich achte darauf, wo mich der Text anspricht. Was weckt meine Aufmerksamkeit? Was berührt mich? Wo bin ich vielleicht selber gemeint? Was löst Widerstand aus? Bin ich mit etwas nicht einverstanden?

5. In der Stille verweilen

Nicht das Vielwissen sättigt die Seele und gibt ihr Befriedigung, sondern das innere Schauen und Verkosten der Dinge.

Ignatius von Loyola

Ich versuche in der Stille zu bleiben mit dem, was mir geschmeckt hat oder auch mit dem, was nicht so leicht verdaulich ist. Ich “verkoste” den Text innerlich.

Für Schritt 4 und 5 zusammen ca. 15-20 Minuten einplanen.

6. Ins Gebet finden

Nun beginne ich mit Gott in einfachen Worten zu sprechen und zu sagen, was mich bewegt. Dankend, bittend, klagend, fragend, zweifelnd, vertrauend.

7. Ein bewusstes Ende setzen

Ich schliesse die Zeit bewusst ab. Entsprechend dem Beginn vielleicht wieder mit einer Verneigung, einem Kreuzzeichen oder dem Löschen der Kerze.

8. Zurückschauen

Wie ist es mir ergangen? Was nehme ich mit? Ist mir etwas wichtig geworden? Vielleicht schreibe ich ein, zwei Sätze auf.

Das lebendige Wasser

Als Beispieltext kann die Szene der Frau am Jakobsbrunnen dienen. Der Text findet sich in Johannes 4, 5-15. Hier einige Anregungen, die beim Betrachten des Textes helfen können:

Jesus sitzt da, alleine, und wartet.

  • Auch wir sitzen da und sind vielleicht müde.
  • Herausforderungen in Beruf, Familie, Aufgaben in Gemeinde, Vereinen, etc.
  • Wir sind eingeladen auf Gott zu warten.

Jesus bricht mit Konventionen.

  • Das was dem Leben dient geht vor.
  • Wo bewege ich mich in einengenden Situationen?
  • Wo würde ich gerne ausbrechen?

Jesus sitzt am Brunnen und wartet auf mich.

  • Er wünscht sich, mich ansprechen zu können.
  • Ich darf ihm geben was ich habe (Krug, Wasser).
  • Er möchte mich mit lebendigem Wasser erfrischen.

Wonach dürste ich?

  • Anerkennung, Erfolg, Genuss, Spass, Kontrolle, Macht, Besitz, Status, Selbstverwirklichung?
  • Woraus ziehe ich meine Kraft?
  • Denn wo euer Schatz ist, da ist auch euer Herz. (Matth. 6, 21)