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Impulse für stilles Gebet

Es gibt verschiedene Arten von Gebet. Die wohl am weitesten verbreitete Art zu beten ist das gesprochene Wort, das verbale Gebet. Man kann es gemeinsam oder alleine beten, laut oder innerlich, vorformuliert oder frei. Hier möchte ich allerdings den Fokus auf eine stille Art von Gebet lenken und einige biblische Impulse dafür geben.

Gott wohnt in uns

Gebet ist Kommunikation mit Gott. Doch wo ist Gott zu finden?

Im Alten Testament war die Bundeslade Garant für die Gegenwart Gottes im israelitischen Volk. Das Allerheiligste, der Teil des Tempels, in dem die Bundeslade stand, durfte nur einmal pro Jahr vom Hohepriester betreten werden und sonst von niemandem. Beim Tod von Jesus riss der Vorhang entzwei, welcher das Allerheiligste abtrennte (Matth. 27, 50-51). Der Zugang zu Gott wurde frei. Doch damit nicht genug, Gott machte einen weiteren Schritt auf uns zu. An Pfingsten wurde uns Menschen der Heilige Geist geschenkt. So kann Paulus schliesslich sagen, dass unser Körper der neue Tempel ist, in welchem Gott wohnt:

Habt ihr denn vergessen, dass euer Körper ein Tempel des Heiligen Geistes ist? Der Geist, den Gott euch gegeben hat, wohnt in euch, und ihr gehört nicht mehr euch selbst.

1. Kor. 6,19

Wenn wir also Gott suchen, müssen wir nicht weit gehen. Er lebt in uns. Er ist uns näher als unser Atem.

Rückzug ist wichtig

In der Bergpredigt lehrt Jesus auch über das Beten. Es soll im Verborgenen geschehen. Er empfiehlt, sich dabei zurückzuziehen und die Tür zu schliessen.

Wenn du beten willst, geh in dein Zimmer, schliess die Tür, und dann bete zu deinem Vater, der auch im Verborgenen gegenwärtig ist; und dein Vater, der ins Verborgene sieht, wird dich belohnen.

Matt. 6,6

Jesus hat sich oft zurückgezogen, um alleine zu beten. Auch in stressigen Zeiten hat er sich nicht davon abbringen lassen. Der Evangelist Markus berichtet in Kapitel 1, 32-37 davon, wie Jesus viele Kranke heilte und Dämonen austrieb: “Die ganze Stadt war vor dem Haus versammelt” (Vers 34). Nach dem Sonnenuntergang brachten sie die Kranken zu ihm. Die Heilungen dauerten wohl bis tief in die Nacht. Das muss Kraft gekostet haben. Schon am nächsten Morgen fragten wieder alle nach ihm, doch er zog sich zurück und verliess danach sogar die Gegend.

Früh am Morgen, als es noch völlig dunkel war, stand Jesus auf, verliess das Haus und ging an einen einsamen Ort, um dort zu beten. Simon und die, die bei ihm waren, eilten ihm nach, und als sie ihn gefunden hatten, sagten sie zu ihm: “Alle fragen nach dir.”

Markus 1, 35-37

Wir müssen nicht allen Anforderungen gerecht werden, die an uns gestellt werden. Wir dürfen die Prioritäten anders setzen und uns auch einmal zurückziehen.

Sammlung

Wie stellen wir uns jemanden vor, der betet? Ich sehe sofort eine sitzende Person vor mir. Sie hat die Hände gefaltet und die Augen geschlossen. Die Körperhaltung beim Gebet dient unserer Sammlung. Wir sollen nicht abgelenkt werden, wenn wir mit Gott sprechen. Wir haben uns vielleicht in ein Zimmer zurückgezogen und die Türe geschlossen. Niemand soll uns stören. Wer sitzt, kommt zur Ruhe und macht keine Besorgungen. Mit gefalteten Händen können wir nicht arbeiten. Wir schränken uns beim Gebet ein, damit wir uns auf das Wesentliche konzentrieren können. Indem wir die Augen schliessen, verwehren wir uns den Eindrücken der Welt um uns herum. Wir möchten die inneren Augen öffnen.

Nicht zu viele Worte machen

Wie eingangs angetönt, ist wohl das gesprochene Wort die häufigste Art zu beten. Jesus ermahnt uns allerdings, nicht zu viele Worte zu machen. Gott weiss bereits, was uns auf dem Herzen liegt. Er kennt unsere Gedanken und Nöte.

Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht viel plappern wie die Heiden; denn sie meinen, sie werden erhört, wenn sie viele Worte machen. Darum sollt ihr ihnen nicht gleichen. Denn euer Vater weiss, was ihr bedürft, bevor ihr ihn bittet.

Matth. 6, 7-8

Mit dem Verstummen der Worte ändert sich der Charakter des Gebets. Wir werden von Redenden, Bittenden und Flehenden zu Zuhörenden. Wir stellen unsere Wünsche beiseite. Gott rückt ins Zentrum. Es geht um Begegnung. Gott kriegt Raum, um zu sprechen und zu handeln.

Die Sorgen loslassen

Wenn wir ruhig, mit geschlossenen Augen dasitzen und schweigen, werden mit der Zeit viele Gedanken aufkommen. Unser Verstand möchte die Pause nutzen, um uns scheinbar wichtige Dinge ins Bewusstsein zu rufen. Der Terminplan von morgen, die Sitzung, die wir noch vorbereiten müssen, eine schwierige Entscheidung, die ansteht. Oder wir grübeln über Vergangenes nach: Eine verletzende Bemerkung über uns oder ein Fehler, der uns passiert ist. Haben wir auch nichts vergessen beim Einkaufen?

Gott ist JETZT hier. Sorgen ziehen unser Bewusstsein in die Zukunft oder die Vergangenheit. Damit lenken sie uns ab von Gottes Gegenwart. Wenn man einen Freund zu einem gediegenen Essen trifft, packt man sein Handy weg, um nicht dauernd gestört zu werden. Jede Benachrichtigung sofort zu prüfen wäre unhöflich. Gleichermassen sollten wir in der Gegenwart Gottes nicht unseren Gedanken nachhängen. Es gibt dann gerade wichtigeres.

Darum sollt ihr nicht sorgen und sagen: Was werden wir essen? Was werden wir trinken? Womit werden wir uns kleiden? Nach dem allen trachten die Heiden. Denn euer himmlischer Vater weiss, dass ihr all dessen bedürft.

Matth. 6, 31-32

Das Loslassen der Gedanken ist nach dem Schweigen eine weitere, tiefere Stufe der Sammlung. Leider ist das nicht ganz einfach. Es braucht Übung. Es gibt einige christliche kontemplative Gebetsformen, die ganz praktisch Anleitung dazu geben, wie das gelingen kann.

Gottes Nähe verändert

Im stillen Gebet geht es nicht darum, Gott unsere Wunschliste zur präsentieren. Die kennt er bereits. Es geht vielmehr darum, in seine Nähe zu kommen, seine Liebe zu spüren und uns von ihm verändern zu lassen. Wir können nichts dazu beitragen. Wir müssen es nur geschehen lassen. Dabei können innere Prozesse angestossen werden. Verdrängtes kann nach oben kommen. In der Gegenwart Gottes kann es geheilt werden.

Ja, wir alle sehen mit unverhülltem Gesicht die Herrlichkeit des Herrn. Wir sehen sie wie in einem Spiegel, und indem wir das Ebenbild des Herrn anschauen, wird unser ganzes Wesen so umgestaltet, dass wir ihm immer ähnlicher werden und immer mehr Anteil an seiner Herrlichkeit bekommen. Diese Umgestaltung ist das Werk des Herrn; sie ist das Werk seines Geistes.

2. Kor. 3,18

Weiterführende Links

Es gibt einige Artikel in diesem Blog, die sich mit stillem Gebet tiefer befassen:

Sehr empfehlenswert ist auch das Video “Raus aus dem Druck” von Johannes Hartl.

Da du alles schon weisst, mag ich nicht beten –
Tief atme ich ein, lang atme ich aus
Und siehe: du lächelst

Kurt Marti

Image by Himsan from Pixabay